Categories: Bundesliga
      Date: Okt 28, 2008
     Title: Riese am Tisch

BottroffNicht nur wegen seiner 2,04 Meter Körpergröße ist Eric Bottroff eine Ausnahmeerscheinung im Tischtennis. Auf seinem Weg in die Spitze lässt sich der junge Sachse vom TTC Ruhrstadt Herne von nichts stoppen. Nicht einmal von Jugendrheuma.

Der TTC Ruhrstadt setzt in dieser Saison noch mehr als sonst auf junge deutsche Talente. Eines davon ist der 18-jährige Erik Bottroff, der vom TTC Sachsen Döbeln kam und für den Herner Tischtennis-Zweitligisten am mittleren Paarkreuz bisher sehr erfolgreich auf Punktejagd geht.



Der junge Mann ist nicht nur in seiner Sportart ein ganz Großer, sondern ragt mit seinen 2,04 Metern auch körperlich aus der Riege der meist eher zierlichen Tischtennisspieler heraus. Er selbst hat mit seiner Statur überhaupt kein Problem, gleicht er doch Temponachteile durch seine enorme Reichweite aus. Mehr machten ihm da bisher die Vorurteile einiger Auswahltrainer zu schaffen, die er erst durch außergewöhnliche Leistungen überzeugen konnte.

Im Garten fing alles an

Als Achtjähriger kam Erik an einer alten Platte im heimischen Garten in der Lutherstadt Wittenberg erstmals mit dem kleinen Zelluloidball in Berührung. Er war so begeistert, dass er bald darauf dem TTV Zahna beitrat. Ein Jahr später hatte er dank seines Eifers und seines Trainers Horst Pfeiffer bereits soviel dazu gelernt, dass er an einem Ranglistenturnier des Landesverbandes Sachsen-Anhalt teilnehmen durfte, wo er von 48 Teilnehmern ehrenvoller Letzter wurde. Statt den Spaß an der Sache zu verlieren, packte ihn jetzt der Ehrgeiz aber erst richtig. Er trainierte ein Jahr wie ein Wilder, nahm im nächsten Jahr erneut an dem Turnier teil - und gewann es.

Als Erik zwölf war, stand die Familie vor einer schweren Entscheidung. Der Junge hatte das Angebot, auf das Internat der Sportschule Magdeburg zu wechseln. Sich vom einzigen Kind zu trennen, fiel insbesondere der Mutter schwer. Doch weil man es sich in dieser Region Deutschlands nicht erlauben kann, eine Chance ungenutzt zu lassen, durfte der Sohn schließlich seinen Koffer packen. Mit dem Wechsel ins Internat war auch ein Vereinswechsel verbunden. Ab sofort spielte Erik beim TTC Börde Magdeburg und wechselte später zum MSV Hettstedt.

Niederschmetternde Diagnose

Nach zwei Jahren und zahlreichen Erfolgen bei den Schülern war man auch beim DTTB auf den jetzt 14-Jährigen aufmerksam geworden und bot ihm an, zum Tischtenniszentrum Heidelberg zu kommen. Kurz vor dem Umzug wachte Erik morgens mit einem geschwollenen Fuß auf. Die niederschmetternde Diagnose: Jugendrheuma, eine Krankheit, die man lindern, aber nicht heilen kann. Eine Kämpfernatur wie Erik Bottroff ließ sich aber auch dadurch nicht aus der Bahn werfen. Nach acht Wochen im Krankenhaus ging es ins Deutsche Tischtenniszentrum nach Heidelberg, wo Trainerin Eva Jeler seine Leistungskurve noch mal deutlich ansteigen ließ.

Zwei Jahre später zog das DTTZ um nach Düsseldorf, aber Erik zog nicht mit. Die höheren Kosten im neuen Jugendleistungszentrum waren durch die Eltern nicht mehr finanzierbar, also ging es wieder Richtung Heimat, wo er beim Großverein Sachsen-Döbeln in der Ober-, Regional- und 2. Bundesliga zum Einsatz kam.

Zweifacher Deutscher Meister

Im Jugendnationalteam war Erik als Mannschaftsführer längst eine feste Größe. Er hatte die Top 12 gewonnen, an Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen, viele Podestplätze bei internationalen Turnieren erreicht. 2008 gewann er die Deutsche Meisterschaft bei den Jungen im Einzel und Doppel. Zudem führt er die Jungen-Rangliste mit einigem Vorsprung an.

Als er vor einigen Monaten David Daus ansprach, ob der nicht einen Verein mit guten Trainingsbedingungen und Perspektiven wüsste, kam der Kontakt mit dem TTC Ruhrstadt zustande. Hier fühlt er sich ausgesprochen wohl. Völlig neu ist für ihn, dass er häufig mit der kompletten Zweitligamannschaft trainieren kann, denn bei seinem letzten Club sah er seine Kollegen nur zum Spiel. Zwar kann er wegen seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei einem TT-Ausrüster nur noch einmal täglich trainieren, das aber dank Jens Stötzel intensiv und auf hohem Niveau.

Zimmer im Sportzentrum

Weit zur Sportstätte hat er es nicht, denn er wohnt dort. Im Sport- und Wellnesszentrum haben die Ruhrstädter ein Zimmer für ihn hergerichtet. Zweimal in der Woche geht es noch zum Leistungszentrum nach Düsseldorf, und das bisschen Freizeit, das noch bleibt, wird beim Fahrlehrer verbracht. Mit dem Führerschein will er dann auch wieder öfter die Eltern besuchen, die er seit seiner Ankunft in Herne am 24. Juli nicht gesehen hat.

Auch für seine sportlichen Zukunft hat Bottroff klare Vorstellungen. „Irgendwann möchte ich in der ersten Bundesliga spielen", sagt er. Wer den wortkargen, aber willensstarken jungen Mann kennengelernt hat, traut ihm das ohne weiteres zu.

Quelle: WAZ, Herne, 22.10, Uwe Eulig